Nach mehr als drei Jahren sind die Umbau- und Sanierungsarbeiten am Blockhaus Dresden beinahe abgeschlossen. Nur die denkmalgeschützte Gebäudehülle blieb von dem um 1732 errichteten Bau in ihrem Originalzustand erhalten. In das Gebäudeinnere wurde bis auf 3,5 Meter unterhalb des Dachfirstes ein massiver Betonkubus eingebaut, der mit dem Archiv der Avantgarden eine der umfangreichsten und bedeutendsten Sammlungen der künstlerischen Avantgarden des 20. Jahrhunderts aufnehmen wird.
Ein Bau mit Geschichte(n): Das Blockhaus Dresden
Rechtselbisch und damit auf der Neustädter Stadtseite, in direkter Nähe des historischen Zentrums von Dresden, liegt das Blockhaus Dresden. Der markante, im neoklassizistischen Barock gehaltene Bau wurde von 1732 bis 1737 nach den Plänen des französischen Architekten Zacharias Longuelune gebaut und beherbergte als Neustädter Wache die Kontroll- und Zollstation am Neustädter Brückenkopf der Augustusbrücke. Das in kubischer Bauform errichtete Gebäude ersetzte einen hölzernen Vorgängerbau, dessen umgangssprachliche Bezeichnung Blockhaus bis heute genutzt wird. Das Elbehochwasser im Sommer 2013 beschädigte das Gebäude so stark, dass es stillgelegt werden musste. Anlässlich der Schenkung des Archivs der Avantgarden von Egidio Marzonas an die Staatliche Kunstsammlung Dresden (SKD), fiel die Entscheidung, das Blockhaus zum neuen Domizil des Archivs der Avantgarden zu machen.
Neue Nutzung als Archiv der Avantgarden
Bei dem Archiv der Avantgarden handelt es sich um eine der umfangreichsten und bedeutendsten Sammlungen von Kunstwerken, Objekten und Dokumenten der künstlerischen Avantgarden des 20. Jahrhunderts – Kunstwerke und Designobjekte, die der deutsch-italienische Kunstsammler Egidio Marzona aus unterschiedlichen Teilen der Welt zusammengetragen hat. Für die Umgestaltung des Dresdner Blockhauses investiert der Freistaat Sachsen rund 25 Millionen Euro. Den 2017 ausgeschriebenen Architekturwettbewerb hatte das Büro Nieto Sobejano Arquitectos, Berlin, gewonnen.
Ein ‚schwebender‘ Betonkubus im Gebäudeinneren
Die Planungsaufgabe bestand darin, eine neue räumliche Konzeption innerhalb der überlieferten denkmalgeschützten Gebäudehülle zu erstellen, in dem sich das geforderte Raumprogramm von rund 1.900 Quadratmetern Nutzfläche für die Bereiche des Archives, der Forschung und Ausstellung schlüssig umsetzen lassen. Eine weitere Anforderung war der Hochwasserschutz, der eine unterirdische Unterbringung des Archivguts ausschloss. Den Siegerentwurf begründete die Jury wie folgt: "Die feine Provokation und das Gedankenspiel, das der Institutionsname impliziert, wird in diesem Projekt als Ausgangspunkt verstanden. Ein massiver Betonkörper, schwebend im leergeräumten bestehenden Blockhaus, bildet das Kernstück des Archives, einen verborgenen Schatz, als unvermeidliche Präsenz der Vergangenheit." Kerngedanke des Siegerentwurfs von Nieto Sobejano Arquitectos ist ein im Raum schwebender massiver Beton-Kubus mit drei Ebenen, der das eigentliche Archiv aufnimmt. Das öffentlich zugängliche Galeriegeschoss und eine offene Präsentationsfläche unterhalb des Kubus bieten Platz für Ausstellungen, Performances und Diskussionen.
Statisch und logistisch herausfordernde Dachkonstruktion
Mit der Holzkonstruktion für das neue Dach wurde das Radeburger Unternehmen Rico Sachse Holzbau beauftragt. In Kooperation mit dem Ingenieurbüro Wetzel von Seht, Hamburg erstellte Rico Sachse zunächst die Statik sowie die Werkplanung. „Das Projekt war in vielerlei Hinsicht eine Herausforderung. Neben der Statik und Werkplanung galt es, die zum Teil 11 Meter langen Sparren für die Dachkonstruktion logistisch zu handeln“, erklärt Rico Sachse. Über 70 Kubikmeter Brettschichtholz wurden für die Dachfläche verarbeitet. Nachdem die Dachkonstruktion mit Rauspundverschalung verkleidet war, verlegten Rico Sachse und sein 20-köpfiges Team bitumengetränkte Unterspannbahnen, so genannte Butzibahnen. Insgesamt umfasste der Auftrag die Erstellung der gesamten Holzkonstruktion bis hin zur Ausführung der Konterlattung. Von unten erhielt die Dachkonstruktion eine Verkleidung mit OSB-Platten. Die darüber liegende Zwischenschicht wurde mit Dämmwolle ausgeblasen. „Was Größe, Volumen und Organisation betrifft, war das Blockhaus Dresden unser bislang größtes Projekt“, berichtet der Zimmerei- und Dachdeckermeister. Eine besondere Herausforderung waren auch die insgesamt 30 kleinen Gauben, die zur Wiederherstellung der ursprünglichen Dachform angefertigt werden mussten.
Authentische Nachbildung der historischen Dachform
Anspruchsvoll waren auch die Dachdecker- und Klempnerarbeiten, die in den Händen der Dachdecker & Zimmerer Stolpen GmbH aus der Burgstadt Stolpen lagen. Der Auftrag umfasste neben der Deckung der 1.061 Quadratmeter großen Steildachfläche auch die Abdichtungs- und Dachklempnerarbeiten in Kupfer. Mit den im Werk Guttau gebrannten Biberschwanzziegeln des Herstellers Creaton ‚Profil Sächsische Biber‘ kamen Segmentschnittbiber mit profilierter Oberfläche im sächsischen Format zum Einsatz. Nach den Vorgaben des Denkmalschutzes sollten die Biber vier statt drei Profilrillen und mit 17 mm etwas dicker als das Standardformat sein. Für die Sonderproduktion wurde daher zunächst ein neues Mundstück erstellt. Eigens für das Blockhaus Dresden wurden auch vier feine naturrote Farbnuancen entwickelt, die durch Zugabe von Manganoxid und spezielle Brennführung im Tunnelofen erzeugt und vor der Verlegung händisch gemischt wurden. „Die Besonderheit des denkmalgeschützten Gebäudes spiegelt sich in dem gewählten Sonderformat wider“, erklärt Mario Sehrer, Geschäftsführer der Dachdecker & Zimmerer Stolpen GmbH. Außergewöhnlich war das Dach auch aufgrund des mittigen Lichthofes. „Der in das Gebäudeinnere eingefügte Betonkern endet 3,5 Meter unterhalb des Dachfirsts. Inmitten des Lichthofes wurde auf dem Betonkubus die Technikzentrale positioniert. Im Lichthof zwischen Steildach und Technikkubus führten wir die Abdichtungsarbeiten mit Bitumen, auf der Technikzentrale mit Dachbahnen aus FPO (flexiblen Polyolefine) aus“, so Mario Sehrer. Die Verlegung der ca. 48.500 Biberschwanzziegel und Details wie die authentischen Kupferarbeiten an den historischen Gauben, Kupferliegerinnen, Blechanschlüsse sowie die auf den Ziergiebeln verlegte Stehfalzdeckung forderten von Mario Sehrer und seinem Team meisterhaftes handwerkliches Können auf höchstem Niveau.“